Mein
Nachruf auf Karl-Heinz Stadtmüller

Am 13.
September 2018 ist der Geher „Kalle“ Karl-Heinz Stadtmüller nach einer langen
schweren Krankheit von uns gegangen.

Kalle ging zwei
Weltrekorde im Bahngehen, bereits mit 19 Jahren ,
26 911m im 2-Stunden
Bahngehen sowie 2:14:45,6h im 30 000m Bahngehen, beide am 16. April 1972 beim
traditionellen Frühjahrsgehen im Berliner Jahnstadion, bestimmte 10 Jahre die
Weltspitze mit, nahm drei Mal an Olympischen Spiele teil, 1972, 1976, 1980
sowie an den Europameisterschaften 1974 und 1978.

In den
Siebzigern war er mehrfacher DDR-Meister über 20km und 50km auf der Straße,
stellte vier DDR-Bestleistungen über 20km-Straßengehen auf, die zugleich
gesamtdeutsche Bestleistungen waren. 1977 schaffte auch den DDR-Rekord im 20
000m-Bahngehen. Das allerbeste Ergebnis, Vierter bei den Olympischen Spielen
1976 in Montreal.

Seinen
größten Erfolg konnte er leider nur eine knappe Stunde bei der EM 1978 in Prag,
als vermeintlicher Europameister feiern, ehe er im Nachgang noch
disqualifiziert wurde. Roland Wieser, als Zweiter, bekam dadurch den EM-Titel.

Ich erinnere
mich an 1980, in Eisenhüttenstadt bei den DDR Meisterschaften 20km-Straße. Er
überrundete mich, ging dort die Olympianorm, ich versuchte, nur für kurze Zeit an
ihm dran zu bleiben und bekam damals schnell mit, wie schwer es ist, Weltspitze
zu sein.

Als ich Ihn
vor 2 Jahren neu
kennenlernte, kamen wir irgendwann auf das Thema Prag 1978. Da standen ihm dabei sofort Tränen in den
Augen. Mir sagte das gleich viel… Ach so, die ersten persönlichen Kontakte
hatte ich bereits in den Achtzigern zu ihm. Kalle kam wie ich auch zu den
Geburtstagen von Kultgeher Kurt Sakowski, meinem früheren Trainer.

Vor circa drei
Jahren trainierte ich im Berliner Stadion Buschallee und ein älterer, fülliger
Herr, wahrscheinlich der Platzwart, ging gemächlich auf das Stadion zu, schaute
sich meine 400m-Intervalle an und nickte nur. Wir kamen ins Gespräch und er tat
so, als ob er keine Ahnung hätte. Ich erzählte ihm, das Christoph Höhne wieder
angefangen hat mit Gehen. Und er antwortete: „Ach, da war ich mal ein paar
Plätze vor ihm, ja das war in München 1972!“
(Da begann es bei mir zu klingeln! Karl-Heinz, „Kalle“, hatte als
19-jähriges Supertalent nicht die 20km-Quali für München geschafft. Aber er
wollte unbedingt dorthin. Also „kurzfristig“ die 50km in Angriff genommen,
qualifiziert und in München als Newcomer gleich Elfter!). Mein Statistiker-Hirn
arbeitete stark und ich fragte: „Dann bist du wohl Karl-Heinz Stadtmüller?“ Der
Bann war gebrochen und Gesprächsstoff gab es von nun an genügend.

Fast jedes
Mal, bei meinen Intervall-Trainingseinheiten war er zugegen und sagte mir die
Zeiten, welche ich natürlich trotzdem von Natur aus selber immer auf meiner
Armbanduhr stereotyp kontrollierte. Eine nette Geste von ihm… Allerdings, ich
merkte auch, daß er gesundheitlich angeschlagen war. Irgendwann lief dann seine
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme aus und ich hörte auch aus Geher-Kreisen, das er im
Hospiz liegt.

Wir sahen
uns nie wieder. Kalle starb mit nur 65 Jahren.

In Trauer,
Dick Gnauck